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Die Skepsis gegenüber der Religion ist gewachsen, vor allem gegen die institutionalisierte Religion. Dies wurde mir in der gegenwärtigen Corona-Krise sehr deutlich, als die beiden Kirchen auf der Seite des mächtigen Staates waren und ihre Gläubigen im Stich gelassen haben. Anpassung an das System, in dem und von dem diese institutionalisierte Religion lebt, ist ein Grund, die Frage zu stellen: Brauchen wir überhaupt Religion? Ich will vor allem die Gründe anführen, die gegen eine Fortsetzung dieser traditionellen Vorstellung einer von festen Glaubensdogmen, Ritualen und Machtstrukturen geprägten Religion sprechen:

  • Frage nicht die Frösche: Würde man Kirchenvertreter fragen, ob die Kirche heute überhaupt noch Bestand haben kann, ob sie noch zeitgemäß ist, ob sie das, was sie eigentlich bewirken soll, überhaupt leistet, immer antworten: Die Kirche ist ein notwendiger Bestandteil unserer Kultur und heilsbringend notwendig. Ein altes Sprichwort sagt: Wer einen Sumpf trocken legen will, sollte nicht die Frösche fragen. Diese Redensart, deren Ursprung bis in die Antike zurückreicht und erstmals 1870 in einem Gedicht von Eduard von Bauernfeld sinnverwandt aufgetaucht ist (weiterlesen), drückt aus, was viele denken, aber nur wenige auszusprechen wagen: Die Religion dient vor allem denjenigen, die davon leben, sie professionell auszuüben. Die Priesterschaft hat in allen Kulturen und Zeiten es immer verstanden, sich eine Sonderrolle zuzubilligen, nach der sie vorgaben, eine „besondere Beziehung“ zu Gott haben. Nur über sie sollte stets der Zugang zu „höheren Sphären“ erlaubt sein. Das reicht noch bis in die heutige Zeit hinein, in dem etwa der Papst behauptet, dass nur über die Kirche ein heilsbringender Kontakt mit Gott möglich sei.
  • Abergläubisches Verhalten: Burrhus Frederic Skinner (1904 – 1990) ein amerikanischer Psychologe, hatte im Rahmen seiner Forschungen, die stark von dem Behaviorismus geprägt waren, sehr viel mit Tauben experimentiert. In einer Versuchsanordnung – die Tauben steckten in einer so genannten „Skinnerbox“, die sehr reizarm konstruiert war (weiterlesen), um die in den Experimenten untersuchten Faktoren kontrolliert überprüfen zu können - wurden die Tauben in einem festen Rhythmus (alle 15 Sekunden) mit Futterpillen belohnt (weiterlesen).  Die Tauben zeigten bald sehr bizarr anmutende Bewegungsabläufe, die er darauf zurückführte, dass die Tauben „glaubten“, mit der Reproduktion der zufällig belohnten und damit bekräftigten Verhaltensweisen wieder Futterpillen erlangen zu können. Er erklärte damit das als „abergläubisches Verhalten“, weil die Tauben in dem irrigen Glauben verhaftet waren, die Wiederholung einstmals zufällig belohnter, völlig unsinniger Verhaltensweisen, könnte wieder eine Belohnung auslösen. Mich erinnern die in religiösen Gemeinschaften geübten Verhaltensweisen und immer wiederkehrende Rituale, wie sie z. B. in Gottesdiensten praktiziert werden, sehr an diese „abergläubischen Tauben“: Mal müssen die Gläubigen stehen, dann sollen sie sich hinknien und dürfen sich dann auch zwischendurch setzen, bekreuzigen sich oder falten die Hände zum Gebet zu bestimmten Anlässen. In der fast unnachahmlichen Art hatte „Mr. Bean“ die stark ritualisierten Handlungen während eines Gottesdienstes zum Anlass kommen, durch seine treffsicheren Slapstick-Einlagen diese zu karikieren (ansehen). Auch die eigentümlichen Bewegungen der Juden, „Schokln“ genannt (weiterlesen), an der Klagemauer in Jerusalem, muten für Außenstehende zumindest ungewöhnlich an. Wie bei dem Experiment, das Skinner durchgeführt hatte, der die seltsam anmutenden Bewegungsabläufe bei seinen Tauben beobachtet hatte, der diese auch bizarr fand, könnten auch einem Außenstehenden bei dem Besuch eines christlichen Gottesdienstes die dort gezeigten Bewegungsabläufe der Gläubigen für zumindest eigentümlich anmuten. An diesen Ritualen, die vor allem in der katholischen Kirche sehr ausgeprägt sind, hängen aber bestimmte Vorstellungen, dass diese Gott dienliche, wohlstimmende Wirkung entfalten. Dabei werden durch Gesänge, Orgelspiel u. ä. Stimmungen erzeugt, die den anwesenden Gläubigen die Gewissheit vermitteln sollen, dass diese Handlungen eine hohe Bedeutung haben.  An die Taufe z. B. als ein wichtiges Ritual wird die Vorstellung geknüpft, dass die durch den ersten Menschen (Adam) verübte Erb-Sünde, nämlich des Ungehorsams gegenüber Gottes Gebot, vom „Baum der Erkenntnis von Gut und Böse“ nicht zu essen, ausgelöscht wird. Mit der Taufe wird ein „kleiner Exorzismus“ vollzogen, durch den das Böse, das durch den ersten Sündenfall ausgelöst wurde, ausgetrieben werden soll (weiterlesen). Dieses Taufritual erinnert insofern an das abergläubische Verhalten der Tauben, weil es auch auf einer nicht bewiesenen Behauptung beruht. Der abergläubische Christ ist der Meinung, mit dem Vollzug dieses Rituals könne eine Verbindung mit Gott hergestellt und damit eine Art Bündnis mit Gott eingegangen werden. Der Aberglaube speist sich aus der Vorstellung einer magischen Verbindung zwischen Handlungen und den gewünschten Effekten.  
  • Macht der Priester: Die Rituale, die in den beiden Kirchen als Sakramente bezeichnet werden, dürfen i.d.R. nur von Priestern ausgeführt werden. Ob diese Sakramente wirklich von Jesus Christus eingesetzt worden sind, ist zumindest höchst fraglich (ansehen). Sie verleihen aber dem Priester eine hohe Machtfülle, weil nur er diese Sakramente vorgibt heilswirksam geben zu können. Diese Macht, durch die Anwendung der Sakramente als Türöffner zum Reich Gottes zu fungieren, ist gefährlich, weil Macht immer mit Herrschaftsausübung verbunden ist, die dazu führt, dass Menschen nicht nach ihrem eigenen freien Willen leben können. Um noch einmal auf die Taufe zurückzukommen, stellt diese eine den Willen des Säugling negierende Handlung dar, weil er darüber noch gar nicht selbst entscheiden kann. Hier übt durch die Priester die Kirche ihre Macht über Menschen aus zu bestimmen, wem der angebliche Zutritt zum Reich Gottes gewährt wird und wem nicht.
  • Macht der Institution: Nicht nur die Priester haben eine ihnen zugesprochene Macht, auch ihr Arbeitgeber, die Kirche. In Deutschland gibt es zwar Religionsfreiheit und eine Trennung zwischen Staat und Kirche. Aber die Existenz der beiden Großkirchen mit einem Anspruch, das Leben von Menschen entscheidend bestimmen zu können, ist verführerisch, weil dadurch Abhängigkeiten erzeugt werden können, die bis in den Bereich des Bildungswesens hineinreichen. Der Religionsunterricht ist z. B. vielfältig noch den Pfarrern vorbehalten oder Pädagogen, die eine unter der Ägide der Kirchen durchlaufene Ausbildung oder entsprechendes Studium vorweisen können. Auch die Berufsausübung ist, wenn die Kirche als Arbeitgeber fungiert, nicht nur an weltliche Gesetze, sondern auch an die rechtlichen Vorgaben des Anstellungsträgers gebunden, das in ganz private Bereiche hineinreicht, wie etwa die Frage, ob ein geschiedener Angestellter gekündigt werden kann. Auch derjenige, der bei der Kirche eine Anstellung zu finden sucht, ist zwar nicht expressiv verbis an die Kirchenzugehörigkeit gebunden, um eine Arbeitsstelle zu erhalten. Aber die spezifische Religionszugehörigkeit ist oft ausschlaggebend, wenn zwei Bewerber mit gleicher Qualifikation zur Wahl stehen. Im Islam ist die Verbindung zwischen der Religion und dem praktischen Leben noch stärker ausgeprägt, denn es stellt dieser Glaube nicht nur ein moralisches System von festen Überzeugungen dar, sondern ein Moslem hat einen absoluten Gehorsam zu leisten und ist gezwungen, jedwede Entscheidung unter dem Aspekt seines Glaubens zu sehen. Deshalb fällt die Unterordnung unter eine nicht-islamisch geprägte Gesellschaft und deren Rechtssystem besonders schwer; vielfach wird sie sogar abgelehnt.
  • Angst vor dem Nichts oder der Hölle: Alle Religionen haben einen Bezug zum dem, was wir das Jenseits nennen. Dieses Jenseits besteht entweder in dem Sinne, dass es nicht mit unseren leiblichen Sinnen wahrgenommen werden kann oder aber uns nach dem Tod begegnet. Der Materialist glaubt einfach daran, dass nach dem Tod nichts kommt. Für ihn gibt es keine objektiven Wahrheiten oder Wirklichkeit jenseits der Wahrnehmbarkeit dieser Welt, so wie wir sie gegenwärtig erleben. Für ihn ist die Materie allein die Grundlage für das Leben und nicht der Geist. Für den Atheisten gibt es durchaus die Chance einer jenseitigen Welt, die nicht kategorisch ausgeschlossen wird, jedoch existiert dort kein Gott. Manche Atheisten flohen aber angesichts des eigenen Todes und dem drohenden Unbekannten doch noch in letzter Minute ihres Lebens in die Arme der Kirche zurück. Hubertus Mynarek schilderte in einem Interview von der Schwäche dieser Menschen, die dann doch noch einen Priester kommen ließen, um nicht im „Niemandsland“ eines unbekannten Jenseits zu landen oder vielleicht doch in der Hölle, wie dies immer wieder von der katholischen Kirche als Drohung lange Zeit formuliert wurde (ab Min. 27, ansehen). Viele vermachten dann noch gegen den Empfang des Sakraments „der letzten Ölung“ ihr gesamtes Vermögen in dem vermeintlichen Glauben, ihre Seele gerettet zu haben, der Kirche. Die Hölle war und ist nach herrschender Meinung der katholischen Kirche, weniger der evangelischen Kirche, ein realer Ort der absoluten Gottesferne, die eigentlich nur für von Gott abgefallene Engel (Teufel, Satan, Dämonen) gedacht war, aber in der auch Menschen landen können, die sich haben zum Bösen verführen lassen . Auch im Islam gibt es eine Höllenvorstellung, Dschahannam genannt , die dann droht, wer nicht dem Islam treu gedient hat; demzufolge sind Andersgläubige der Hölle geweiht, wie dies der Begleiter von Kara Ben Nemsi in dem Roman „Durch die Wüste“, Hadschi Halef Omar es klar formuliert hatte (weiterlesen).     
  • Belohnung mit dem Himmel oder Paradies: Umgekehrt gilt, dass diejenigen in den Himmel oder in das Paradies kommen, die eine „Lebensversicherung“ der besonderen Art abgeschlossen haben. Im christlichen Glauben ist diese Art der Versicherung der Glaube an Jesus Christus, im Islam an Allah und an Mohammed seinem Propheten. Der Glaube, dass Jesus Christus für die Menschen am Kreuz gestorben ist, eröffnet den Menschen das Himmelreich. Das könnte die Kurzfassung der theologisch selbstverständlich komplizierter dargestellten Version sein. Dieser Glaube wird dann – je nach theologischer Orientierung – noch ergänzt durch einen Zusatz: Der Empfang der Sakramente gilt als sehr hilfreich, etwa der Beichte, die uns doch noch von begangenen Sünden befreien kann. Danach kann der „Fresh start“ beginnen, d. h. dass alle bis zur Erteilung der Absolution begangenen Sünden durch den Priester für null und nichtig erklärt werden, und der Mensch wieder bei Null starten kann. Das empfiehlt sich dann auf jeden Fall kurz vor dem Tod, weshalb dann auch gerne noch einmal der Priester vor dem drohenden Ende geholt wird. Somit soll es also eine „doppelte Absicherung“ geben: Das Opfer von Jesus am Kreuz als kollektive Lösung  und dann noch die Vergebung der Sünden nach der Beichte als individuelle Zugabe. Im Islam gibt es auch eine Vorstellung vom Paradies, Dschanna genannt. Ob in dieses muslimische Paradies auch Nicht-Gläubige gelangen können, ist zumindest umstritten; die Sunniten bejahen diese Möglichkeit (weiterlesen).

 

Diese institutionalisierte Form der Religion stößt dort auf Widerstand, wo Menschen sich auf einen Weg einer individuellen Suche nach der Wahrheit begeben haben. Die Vorstellung einer „kollektiven Absicherung“ durch den „richtigen Glauben“ ist zwar verlockend, stößt aber auf einige Vorbehalte, die genährt werden allein schon durch rationale Argumente:

  • Menschen wie Versuchstiere: Der bereits erwähnte amerikanische Psychologe Skinner hat es operantes Konditionieren genannt, wenn seine Versuchstiere in den „Skinner-Boxen“ mit Futter belohnt wurden, um ein gewünschtes Verhalten zu produzieren und mit Strafreizen traktiert wurden, wenn ein unerwünschtes Verhalten gelöscht werden sollte (ansehen). Mir kommt die Himmel/Hölle-Version der Religionen vor wie eine Versuchsanordnung eines nicht gerade sehr „humanen“ Gottes als Versuchsleiter eines gigantischen Experiments.
  • Simplifikation als Patenrezept: Die Religionen scheinen so etwas zu sein, was dem „einfachen Volk“ dargeboten wurde, um mit einfachem Worten auch dem Dümmsten erklären zu können, wie der Mensch sich verhalten solle. Hierbei hatte man „Metaphern“ gewählt, die jeder Mensch aus dem Alltag kennt: Gott als der „gute Hirte“, der Mensch als das „treue Schaf“, Gott als der strenge oder gütige Vater, der seinen „verlorenen Sohn“ wieder nach seiner Rückkehr in die Arme schließt, Gott als Richter, der entweder am „Ende aller Zeiten“ über alle Menschen Gericht hält (Johannes Offenbarung) oder auch dies individuell tut, um dann diejenigen zu sich zu holen, die nach seinem Willen gehandelt haben und diejenigen zu verstoßen, die ungehorsam waren.
  • Stellvertreter: Da Gott das alles nicht alleine bewältigen kann, braucht er auf Erden einige „Spezialisten“, die diese Aufgaben für ihn übernehmen. Da kommen die Priester ins Spiel, die dann diese Arbeit übernehmen sollen, den Menschen einmal seine Regeln zu erklären und auch die Menschen zu belehren, dass sie sich besser so verhalten, wie dies von Gott gewünscht wird.
  • Bösewichte: Diejenigen, die sich gegen die göttliche Ordnung auflehnen, werden zu „Bösewichten“ erklärt. Luzifer ist so einer, der sich gegen diese Ordnung aufgelehnt und ein Drittel der von Gott geschaffenen Engel auf seine Seite bringen konnte. Was war sein Begehr? Er wollte sein wie Gott! Da Gott eine Alleinherrscher ist (1. Gebot) und keine anderen Götter neben sich duldet, wird Luzifer mit seinem Gefolge aus dem Himmel verstoßen. Seit dem sind diese „gefallenen Engel“ in der ständigen Rebellion gegen Gott damit beschäftigt, auch die Menschen auf ihre Seite zu ziehen. Auch hier helfen die Religionsvertreter, in dem sie Schutzvorkehrungen treffen wie z. B. das Segnen eines Hauses bis hin zu einem vollständigen Exorzismus.

 

Das wirkt alles wie fast eine groteske göttliche Komödie. Geht es auch anders? Oh ja:

  • Der Mensch als Selbsterlöser: Diese Vorstellung wird von den meisten Religionen strikt verneint. Der Grund ist sehr einfach, denn dann könnte ja Gott überflüssig werden. Wenn der Mensch zur Selbsterlösung fähig wäre, bräuchte es keinen Gott mehr oder um es genauer zu sagen: so einen Gott, wie uns die Religionsvertreter diesen präsentieren. Gott muss immer als Erlöser, Erretter, als „Big Boss“ erhalten bleiben. Aber was wäre das für ein Gott, der so wäre? Er wäre doch eher mit einem eitlen Tyrannen zu vergleichen, der keine Kritik verträgt und jeden, der sich gegen seinen Willen stellt, als Rebellen in die Hölle schickt. Das Konzept der Selbsterlösung ist eher beim Buddhismus zu finden, der manchmal auch als eine „atheistische Religion“ bezeichnet wird. Hier herrscht die Auffassung vor, dass der Mensch sehr wohl zu dieser Selbsterlösung fähig ist, weil er sich von Inkarnation zu Inkarnation weiter entwickeln kann, wobei er das Karma von einem in das andere Leben hinüber nimmt. Das in den monotheistischen Religionen vorherrschende Dogma des „einen Lebens“, das mit ausschlaggebend ist für das „ewige Leben“ im Jenseits, wird hier durchbrochen durch die Lehre von der Reinkarnation.
  • Der Mensch als „Zwischenlösung“: Auf dem Weg des Geistes hat nach der Auffassung von Ken Wilber (Halbzeit der Evolution) der Mensch nun einen Tiefstand der Involution erreicht. Nun entwickelt er sich aus der „Selbstvergessenheit“ – dass er ursprünglich selbst ein hohes Geistwesen war – wieder zurück und die „geistige Komponente“ des Menschseins bekommt langsam wieder Oberwasser. Er wird sich seiner wesentlichen Komponente zunehmend bewusster. Die „Zivilisation“ des Menschen könnte als der erste Schritte zurück zu seiner „geistigen Heimat“ bezeichnet werden. Die Fortschritte sind, trotz aller Unkenrufe, erkennbar in Form einer Gesellschaft, in der z. B. das Recht und nicht die Willkür herrscht, in der nicht das „Faustrecht“ dominiert, sondern der Rechtsstaat als eine wichtige Errungenschaft dieser Zivilisierung. Der Mensch ist somit nur eine „Zwischenlösung“ und keine Endlösung auf dem Weg zurück in seine „geistige Heimat“.
  • Wir sind selbst „Lichtwesen“: Armin Risi hat es in seinem Buch „Ihr seid Lichtwesen“ auch so beschrieben, dass wir in unserem Ursprung nicht-materielle Wesen waren – zumindest im „grobstofflichen“ Sinne nicht in der materiellen Welt lebend. Alle Anhaftungen, die uns die Materieorientierung beschert hat mit dem Daseinskampf, der auch das Töten anderer Lebewesen bedingt, gehören einer niederen Stufe des Menschseins an. Manchmal erinnern wir uns in Visionen oder Träumen an eine „lichte Welt“, in der dieses Verhaftetsein in der Materie nicht existiert.
  • Gott ist anders: Alle Bilder, die uns die Religionsvertreter vermitteln, sind eben nur Bilder, die unserer materiellen Existenz entstammen und deshalb grundfalsch. Gott kann nicht so sein, wie uns die Religionen dies erklären. Er wäre wirklich zu „kleinkariert“ und mit menschlichen Schwächen behaftet, die ihn unwürdig erscheinen lassen. Wir werden leider dieses Mysterium nie – zumindest solange wir in der diesseitigen Welt leben müssen – ganz ergründen können. Menschen mit Nahtoderfahrungen oder mystischen Visionen hatten Erlebnisse, die sie nicht recht in Worte fassen konnten, die aber auf eine göttliche Existenz hinweisen, die zu verstehen sie nicht in der Lage waren. Der Neurochirurg Eben Alexander hatte auch in seiner Nahtoderfahrung eine solche Begegnung mit diesem Gott, den er „Om“ nannte oder auch als „Quelle“ bezeichnet (Blick in die Ewigkeit, S. 72) hat. Obwohl er sich in Gegenwart dieser Präsenz winzig klein empfand, konnte er trotz der unendlichen Größe seine Nähe spüren. Gott scheint also so etwas zu sein, das zwar für uns unendlich groß und unverständlich ist, aber gleichzeitig so nahe, dass wir ihn manchmal, vielleicht sogar in diesem Augenblick, spüren können. Mit diesem Paradoxon müssen wir leben. Und es wird wahrscheinlich nicht das einzige Paradoxon sein, an das wir uns gewöhnen sollten, wenn wir uns ernsthaft mit diesem Thema befassen wollen.  

 

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